Verhaltenstherapie beim Mammakarzinom

Eine kurze Zusammenfassung über den aktuellen Kenntnisstand zu den Effekten von Lebensstilfaktoren wie Bewegung, Ernährung oder mentale Gesundheit bei Brustkrebserkrankungen sowie Schlussfolgerungen für die medizinische Versorgung gibt Florian Wiedemann in diesem Beitrag in der Fachzeitschrift “Gynäkologie&Geburtshilfe”.

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Supportivtherapie

Verhaltenstherapie beim Mammakarzinom

Dass ein gesunder Lebensstil eine protektive Wirkung hinsichtlich bestimmter Krebserkrankungen wie Brustkrebs hat, ist bekannt. Darüber hinaus gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass Patienten auch während und nach der Krebstherapie von Verhaltensänderungen und supportiven Lebensstilinterventionen profitieren. Dadurch stellt sich die Frage, wie Krebspatientinnen im Rahmen der ärztlichen Praxis diesbezüglich Unterstützung und Beratung erhalten können.

Krebspatienten,insbesondere erkrankte Frauen haben häufig ein hohes Bedürfnis nach Mitbestimmung und Beteiligung am Behandlungsverlauf und Genesungsprozess. Rund die Hälfte der Frauen mit gynäkologischen Krebserkrankungen greift eigenständig auf ergänzende Maßnahmen wie Entspannungs- und Meditationstechniken oder bestimmte Diäten zurück [Kaufmann und Ernst 2000], oftmals ohne dies mit dem behandelnden Arzt abzusprechen. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, solche Themen in die ärztliche Beratung und Therapie zu integrieren, zumal aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse das enorme therapeutische Potential von Lebensstilinterventionen offenbaren. Zu diesen Interventionen zählen [Paul et al. 2013]:

  • Bewegung

  • Rhythmisierung von An- und Entspannung

  • Stressreduktion

  • Bewegung

  • Soziale Unterstützung

  • Selbsthilfestrategien


Körperliche Aktivität

Bewegung kann therapiebedingte Nebenwirkungen wie Übelkeit/Erbrechen, Schmerzen, Verdauungsprobleme, Schlafstörungen oder Fatigue positiv beeinflussen [Lötzke et al. 2016; Van Waart et al. 2015; Meneses-Echavez et al. 2015; Knols et al. 2005]. Körperliche Aktivität führt auch zu einer deutlichen Senkung des krebsspezifischen Mortalitätsrisikos von 30–50 % [Ballard-Barbash 2012; Friedenreich et al. 2012; Holmes et al. 2005].

Während der Therapie eignen sich moderate Bewegungsformen wie (Nordic) Walking, Wandern oder Radfahren – auch wegen des geringeren Verletzungsrisikos. Empfehlenswert ist ein Trainingsumfang von 150 min./Woche bei ca. 60–85 % der maximalen Herzfrequenz [Baumann und Zopf 2012]. Während der oftmals kräftezehrenden Therapie ist aber dennoch eine individuelle und situative Anpassung der Belastung notwendig. Idealerweise wird ein Training im Rahmen einer professionell angeleiteten onkologischen Trainingstherapie in entsprechenden Therapiezentren durchgeführt.

Aber auch in Nachsorge ist die Förderung von körperlicher Aktivität relevant. Neben der Motivation zu regelmäßigem Ausdauertraining sollte auch die Steigerung der Alltagsaktivität (z. B. mithilfe eines Schrittzählers angestrebt werden. Für manche Patientinnen eignet sich zudem die Teilnahme an Krebssportgruppen.


Ernährung

Hinsichtlich der Auswirkungen unterschiedlicher Ernährungsformen ist die Datenlage heterogen, was auch auf den komplexen Zusammenhängen zwischen Ernährung und Krebs sowie der unterschiedlichen Interpretation vorliegender aten beruht [Leitzmann 2013]. Dennoch gibt es Hinweise, dass Gewichtsnormali- sierung und eine fettreduzierte Kost (mind. 15 % Kalorienreduktion durch Fetteinsparung; AGO-Kommission Mamma 2017) mit verbesserten Überlebenszahlen einhergehen [Demark-Wahnfried et al. 2012; Ligibel 2011]. Es gibt aber keine spezifische Krebsdiät. Ernährung sollte vor allem körpereigene Ressourcen erhalten oder stärken, weshalb die allgemeinen Ernährungsempfehlungen auch für Brustkrebspatientinnen gelten. Häufig wird in diesem Zusammenhang eine mediterrane Vollwert-Diät empfohlen.

Besonders während der Therapie sollte eine Ernährungsberatung durch ausgebildete Fachkräfte (Ökotrophologen, Diätassistenten) erfolgen. Auch in der Nachsorge können bei einer professionellen Ernährungsberatung individuelle Besonderheiten berücksichtigt und gezielte Ernährungspläne erstellt werden.


Entspannung, Stressmanagement

Psychosozialer Distress, depressive Störungen, Ängste, Belastungsreaktionen, Fatigue sowie Störungen von Körperbild und Sexualität sind häufige psychische Begleiterscheinungen bei Brustkrebspatientinnen. Vor allem Sorgen und Ängste bestehen auch noch lange nach Abschluss der Therapie [Rowland et al. 2010; Riedner und Heussner 2009].

Verschiedene Entspannungsverfahren können begleitend zur Krebstherapie und in der Nachsorge einen wertvollen Beitrag zur psychischen Stärkung leisten. Meditative und achtsamkeitsbasierte Verfahren wie Yoga, Qi Gong und MBSR führen zu verbesserter Lebensqualität und Krankheitsbewältigung sowie zu positiven Auswirkungen auf Depressivität, Angst oder Fatigue [Zainal et al. 2013; Hoffmann et al. 2012; Cramer et al. 2012; Harder et al. 2012].

Auch weitere psychoonkologische Interventionen wie Einzelberatung können sinnvoll sein, besonders vor dem Hintergrund neuerer Ergebnisse aus dem Bereich der Psychoneuroimmunologie, die den Einfluss psychosozialer Therapien auf inflammatorische oder immunologische Prozesse zeigen [Ott et al. 2016].

Einen Überblick über die Evidenzlage und entsprechende Empfehlungen zu Lebensstilinterventionen und Mind-BodyMedizin geben die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e.V., Kommission Mamma (2017).


Lebensstil-Programme und Mind-Body-Medizin

An vielen (Universitäts-)Kliniken werden derzeit integrativ-medizinische Programme zur Stärkung der Patientenkompetenz etabliert. Schwieriger ist die Situation für niedergelassene Gynäkologen. Es müssen erst Netzwerke mit Fachleuten (Sporttherapeuten, Ernährungsberater, Psychoonkologen), sofern überhaupt vorhanden, geschaffen werden. Derzeit wird mit dem mammaLIFE-Programm ein modernes Nachsorgekonzept für Brustkrebspatientinnen eingeführt und erprobt, das auch wohnortfern erfolgen kann [Kappler 2017; Wiedemann et al. 2017]. Dabei werden die Frauen zunächst im Rahmen einer drei-wöchigen Kur intensiv bewegungs- und ernährungstherapeutisch sowie psychoonkologisch betreut, und dann über sechs Monate mithilfe unterschiedlicher Maßnahmen (z. B. Telefonberatung) bei der Umsetzung im Alltag unterstützt.


Fazit

Auch wenn die Datenlage zu Wirkungen und zugrunde liegenden Mechanismen von verhaltenstherapeutischen Lebensstilinterventionen bei Brustkrebspatientinnen noch nicht eindeutig ist, sollten Ärzte über die bisher bekannten Zusammenhänge informiert sein und Patientinnen dementsprechend beraten können. Körperliche Bewegung, gesunde Ernährung und psychische Stabilität scheinen ein lange ungeahntes Potential für die Therapie von (Brust-)Krebserkrankungen zu bergen. Vor allem in der Nachsorge, aber auch schon während der Therapie sollten entsprechende integrative Versorgungskon-zepte zunehmend angwendet werden. Für Ärzte empfiehlt es sich dabei, auch aus zeitökonomischen Gründen, Netzwerke und Kooperationen mit nicht medizinischen Fachberufen zu bilden, um eine ressourcenorientierte und auf Eigenverantwor-tung basierende Therapie zu ermöglichen


gynäkologie + geburtshilfe 2018; 23 (1)

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Benedikt Fuhrmann

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